Segeln Schärengarten – Die seglerischen Lektionen Schwedens
• Schweden sind Deutsche – die englisch sprechen können •
Wahrscheinlich ist es einer der meist geträumten Seglerträume: auf eigene Faust den Stockholmer Schärengarten erkunden. Durch die harmonische Mischung aus Kultur, landschaftlichem Idyll und seglerischer Herausforderung ist es eines der beliebtesten Segelreviere für Freizeitskipper.
Zunächst einmal gibt es bei der Planung solch eines Törns jedoch einige Herausforderungen zu bewältigen. Das beginnt bei der Suche nach der richtigen Yacht, geht über die Herausforderung der Routenwahl bis zu den vielen kleinen Details, an die man zunächst gar nicht denken mag. Tatsächlich gestaltet sich die Vorrecherche zur Reise komplizierter als erwartet. Zwar wird in sämtlicher Literatur gebetsmühlenartig wiederholt, dass unter den Tausenden Inseln auch die perfekte für Sie dabei sei, für eine gute Törnvorbereitung ist das aber zu mager. Die meisten dieser Inseln sind natürlich unbewohnt und wer sich außerhalb der Saison bewegt, wird selbst bei kleineren Ortschaften Probleme mit der Versorgung bekommen. Wir dürfen das dann auch direkt bei unserer Anreise erfahren. Das Taxi bringt uns in die ziemlich große Marina nach Svinninge. Dort stehen wir und machen uns angesichts der Hunderte von Yachten im Hafen noch keine Gedanken über Versorgungsprobleme. Tatsächlich ist vor Ort nicht mal ein Snickers zu erwerben. Dafür müssen wir ein neues Taxi bestellen und in den 8 km entfernten Ort Akersberga fahren. Das ist die erste Lektion für Segler. Wenn sich die Möglichkeit zum Einkaufen ergibt, nutzen Sie diese ausgiebig. Es empfiehlt sich ausdrücklich nicht, loszusegeln und sich auf eine gemütliche Einkehr zu verlassen.
Über Werner Anund von Ocean Spirit aus St. Veit haben wir eine Sun Odyssey 33i gechartert, die im perfekten Zustand im Hafen von Svinninge auf uns wartet. Werner ist der ideale Ansprechpartner für alle Schwedenreisende. Als Pendler zwischen Österreich und Schweden kennt er nicht nur die Yachten persönlich, sondern auch sämtliche Versorgungsstellen und Häfen. Am wichtigsten sind aber die vielen Tipps, von denen man in einem neuen Revier nie genug bekommen kann.
Unsere Reise beginnt in der letzten Maiwoche und bei beinahe 30 Grad steuern wir als erstes, kurzes Etappenziel die Insel „Grinda“ an. Es ist Samstagnachmittag und der Hafen ist voll von Yachten, die aus dem nahen Stockholm fürs Wochenende herausgeschippert sind. Als brave Deutsche liegen wir vor dem Hafen und warten auf einen freien Liegeplatz. Nachdem der 6. und 7. Schwede an uns vorbei den kleinen Hafen ansteuert und nicht mehr herauskommt, lernen wir die 2. schwedische Segellektion:
Ein Hafen ist nie so voll, dass nicht noch ein weiteres Boot hineinpasst. Also mit der Spitze voraus und einfach zwischen 2 Yachten gedrängt, während man diese gemächlich um Zentimeter für Zentimeter auf die Seiten drückt. Das würde man sich in deutschen Häfen zwar nicht wagen, aber hier ist das völlig in Ordnung. Kurz vor der Mole wird der Heckanker geworfen und schon ist man zwischen den anderen bestens fixiert. Das skandinavische Anlegen mit dem Heckanker funktioniert zwar wunderbar, es ist allerdings beim Rangieren im Hafen größte Vorsicht geboten, um nicht über die Heckleinen anderer Boote zu fahren.
Grinda ist eine der bezauberndsten Inseln der Schären. In Alfred Nobels Villa befindet sich nun das „Grinda Wärdshus“. Ausgezeichnetes Essen in idyllischster Umgebung.
Eben noch ein quirliges Miteinander, reisen alle Schweden gegen Sonntagnachmittag wieder ab. Am Abend haben wir die Insel für uns alleine. Eine schöne Gelegenheit für einen ausgedehnten Spaziergang – lang genug hell ist es ja. Überhaupt scheinen die Schären wie ausgestorben. Wir haben ausreichend gebunkert und segeln weiter nach Möja. Am Morgen war die Temperatur bereits deutlich kälter als an den sonnigen Sommertagen zuvor. Gegen 16 Uhr messen wir Windstärke 6 und es setzt starker Regen ein. Unter Motor steuern wir eine Bucht bei Möja an – laut Karte mit einem Hafen. Die 3. Segellektion ist offensichtlich: Bei der Wahl des Bootes auf den Tiefgang achten. Wir haben 160 cm und im Schritttempo nähern wir uns einem Holzkai – offensichtlich der „Hafen“ von Möja. Unter uns können wir im klaren Wasser den Grund sehen. Das Lot zeigt längst 0,00 Meter Tiefgang an. Der Wind ist schneidend kalt geworden, die Insel wie ausgestorben. Bei unserem Landgang hören wir ein Moped und erfahren, dass der kleine Supermarkt 2 h am Tag geöffnet ist.
Da am Holzkai weder Wasser noch Strom zur Verfügung stehen, leihe ich mir von Handwerkern, die wir auf dem Dach eines Hauses ausmachen, mehrere Verlängerungskabel zur Stromversorgung. Draußen ist es erbärmlich kalt geworden, aber in unserer Elsa schnurrt die Standheizung.
Mit Sandhamn erreichen wir den westlichsten Punkt unserer Reise. Letzter Hafen vor der offenen Ostsee und königlich-schwedisches Revier mit Tradition. Eines der bemerkenswertesten Phänomene ist das Licht. Richtig dunkel wird es nur für wenige Stunden. Der Himmel zaubert die unglaublichsten Farben, die vielen Blau- und Grüntöne der Schären wirken wie übersättigt, darüber warme Orangetöne der flach stehenden Sonne. Die Luft ist klar und rein. Nach diesen wunderbaren Tagen in schönster Einsamkeit freuen wir uns auf Stockholm.
Für die kommenden Tage ist Sturm mit Windstärke 10 gemeldet. Wenn wir Stockholm nicht erreichen, würden wir für ungewisse Zeit auf einer Schäreninsel festsitzen.
In unserer längsten Etappe segeln wir bis in die Innenstadt von Stockholm. Die Gewitterfront auf halber Strecke mit Eishagel bestehen wir mit großem Herzklopfen. Auch wenn es „nur“ die Schären sind – ich fühlte mich klein und ausgeliefert, als diese schwarze Wand vor uns auftauchte.
Am späten Abend erreichen wir müde und verfroren den wunderschönen Stockholmer Stadthafen „Ryssviken“. Die Rechnung ging auf. In der Nacht steigert sich der Wind auf Sturmstärke 10. Obwohl im Hafen liegend, überprüfe ich des Nachts mehrfach die Festmacher. Laut Gefühl scheint es unsere Elsa im Hafen fast zu zerreißen. Die nächsten 4 Tage ist nicht an Segeln zu denken. Aber wir sind in Stockholm. Direkt vom Hafen führt eine Tram ins Zentrum mit all den Sehenswürdigkeiten: Vasa Museum, Kunstmuseum, Gamla Stan – Stockholms Altstadt. Dazu feinste Restaurants und Boutiquen. Einen ganzen Tag verbringen wir im klassischen Luxusspa und Bad „Sturebadet“. Nach einer Woche auf dem Boot tut das einfach verdammt gut. Besonders spektakulär ist übrigens die Begegnung mit den riesigen Kreuzfahrtschiffen und Ostseefähren bei der An- und Abfahrt von Stockholm. Und das wäre dann auch die letzte Lektion für Segler: Unterschätze niemals die Geschwindigkeit dieser Giganten. Mit etwa 15–20 Knoten sind sie knapp dreimal so schnell wie wir unter Motor.
Gleichzeitig sind sie so groß, dass sie die Wasserwege schneiden müssen. Ruhe bewahren und vorausschauende Entscheidungen treffen. Vor allem zu glauben, noch vor so einem Koloss die Fahrbahn kreuzen zu können, ist ziemlich riskant. Während meine Frau in der Kabine schlief, erinnere ich mich zu gut an das Gefühl, in der Mitte des Fahrwassers zwischen 2 Fähren zu stecken. Da die eine Fähre unmittelbar im Anschluss den Kurs änderte, kamen wir ins Schraubenwasser. Nach dem Schreck der sich nähernden „Hochhauswand“ kam die Ohnmacht des völligen Verlustes der Steuerbarkeit des Bootes. Es lässt sich in etwa mit Aquaplaning vergleichen. Man spürt die Verwirbelungen unter dem Boot und die eigene Schraube und das Ruderblatt greifen förmlich ins Leere. Bleibt festzuhalten, dass meine Frau und Mitseglerin eine weitaus entspanntere Version dieser Reise geschrieben hätte. Aber genossen haben wir sie beide.
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