Niemand braucht Liebe. Was einer braucht, ist Erfolg in der einen oder anderen Form. Es kann Liebe sein, muss aber nicht.
Charles Bukowski
Schloß Possenhofen. Reden über Armut, S-Bahn fahren, Zelten – mit einem Radikalen: Roger Rankel
Porsche Arena, Stuttgart. Stille. Absolute Stille. Die Stecknadel kann jetzt fallen. Eine…zwei…drei Sekunden lang. Danach: 5000 Menschen atmen weiter. Der Manager neben mir holt sein Notizbuch heraus, schreibt eilig auf, was gerade alle Marketing- und Vertriebsprofis hier drin zum Staunen und zum Schweigen, zum Nachdenken gebracht hat. Und das will etwas heißen. Offensichtlich hat hier einer, vorne auf der Bühne des hochkarätigen Stuttgarter Wissensforums, etwas gesagt, was noch nie gesagt wurde, in diesen Kreisen, und in diesem Zusammenhang. Es geht – auch wenn er das nicht explizit erwähnt – um Wertschätzung und Nähe, Echtheit und Phantasie – und das in einer nicht gerade für tiefergehende Inhalte bekannte Branche, die üblicherweise in blanken Zahlen denkt.
Der großgewachsene Mann da vorne sieht jung aus, sogar sehr jung. Kein salbungsvoller Prediger, auch kein hyperaktiver Motivationsguru. Auffällig elegant, extravagant, ruhig – ich vermute, er ist sich seiner erstaunlichen Wirkung auf eine uneitle Art und Weise auch bewußt. Nach seinem Eröffnungsvortrag ist er stundenlang von einem Pulk Menschen umringt, wird interviewt, photografiert, geradezu hofiert. Trotz des Trubels wirkt er sehr wach, konzentriert, freundlich, durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Roger Rankel. Was ist das für ein Mensch? Er hat offenbar etwas Wegweisendes zu sagen – wie kommt er dazu?
Sisi-Schloß in Possenhofen bei Starnberg. Er hat uns in sein Zuhause eingeladen, weil wir wissen wollten, wer er ist, was dahinter steckt. Hinter einem, der ungewöhnliche Dinge sagt. Radikale Dinge. Unter anderem, dass man die Akquise, das Produkt, die Zielgruppe und den Smalltalk vergessen solle.
Ganz leger und privat, bei Weißwein und feinen Kanapees, sitzt er uns nun gegenüber, lächelt und spricht mit der Ruhe des Eigensinnigen, der es nicht nötig hat, den Revoluzzer zu spielen. Roger, Cheftrainer im Bereich Vertrieb, Marketing und Neukundengewinnung für einige der großen DAX-Unternehmen vom Kaliber Microsoft, Volkswagen, Ergo, Deutsche Bank. Im erlauchten Kreis der Top 100 Excellence Speakers und der Salesmasters & Friends – einem Zusammenschluss bekannter Verkaufsexperten – Lehrbeauftragter für Marketing an der Fachhochschule Worms, Bestsellerautor, Autodidakt. Und wie kam er dahin? Nach einer turbulenten Schulzeit – nicht ungewöhnlich für kreative Köpfe wie ihn – eine kaufmännische Lehre, ganz traditionell, ganz langweilig, bis er eines Tages in die Abteilung der Vermögensverwaltung des Firmeninhabers gerät. Dort herumsteht, sich umguckt und mit der geballten Naivität eines Zwanzigjährigen denkt: „Was die können, kann ich auch!“. Er konnte. Und wie. Gründete mit einem Freund, Rechtsanwalt, ein Unternehmen, unabhängige Finanzdienstleistungen, wird für seine erfolgreiche Arbeit unter anderem mit dem „Großen Preis für den Mittelstand“ der Oskar-Patzelt-Stiftung gewürdigt, und später als „Mutmacher des Jahres“. Verkaufte das Unternehmen nach 10 Jahren, um eine Weltreise zu machen. Ist nun, als Marketingexperte und Redner, ausgebucht bis ins Jahr 2012, spricht während einer Woche vor mehreren tausend Menschen in Berlin, Zürich, Wien. Es kann vorkommen, dass er auf Reisen in Thailand im Zelt, am nächsten Tag im besten Hotel am Platz nächtigt. Oder an einem Tag mit dem Ferrari nach München fährt, am nächsten Tag mit der S-Bahn. Das alles ist für ihn gar kein Widerspruch, er hat da seine eigenen Maßstäbe. Mittelmaß, Intoleranz und Kleingeisterei stoßen ihn ab. Wer ist der Held von so einem Helden? „Der Maler Sepp am Steg in Possenhofen. Weil der mit Ruhe und Zufriedenheit da sitzt, und einfach gutgelaunt seine Bilder malt, tagaus, tagein“. Bei ihm, so sagt er, sei allerdings jeder Tag anders, und das gefalle ihm sehr. Er brauche viel Freiheit, auch mental, und Autonomie. Die nötige Ruhe und Gelassenheit für die vielen Reisen und den Trubel verschaffe er sich in seinem Zuhause, hier in Possenhofen, da hat er als gebürtiger Münchner in den letzten zwölf Jahren Wurzeln geschlagen. Indem er sich gedanklich sehr stark ordne und immer in den Kategorien „Gewinn und Sinn“ denke, statt in den üblichen Schienen „Gewinn und Verlust“ könne er hohe Anforderungen und schwierige Situationen bewältigen, und dabei Sinn und Erfüllung finden. Sich immer wieder zu fragen: „Was kann ich besser machen, was habe ich dabei gelernt?“ ist,
so meint er, ein erstklassiger Motor. Und doch habe er keine „Ziele“. Denn Ziele bedeuten doch, dass man einen Mangel spüre. Statt eines Potentials. Mit dieser Bemerkung aus seinem Fundus bringt er mich… zum Nachdenken. Verständlich, dass so ein Mensch in der Öffentlichkeit bisweilen polarisiert – vielleicht erst belächelt wird, dann beobachtet, und erst nach einiger Zeit die Anerkennung erfährt, die er – auch angesichts meßbarer Erfolge – schlicht verdient. So wie den „Ritterschlag“ durch die Allerbesten der Szene, die Aufnahme in den Kreis der Excellence Speakers vor zwei Jahren. Standing Ovations nach seiner Rede dort: er fühlte sich am richtigen Ort, angekommen. Einer, der angesichts des üblichen Pessimismus von sich sagt, dass es für ihn erst spannend werde, wenn es irgendwo heißt, etwas sei „nicht machbar“. Der es im Land der Dichter und Denker schafft, wegweisende Inhalte in einer vermeintlich einseitigen Branche zu „verdichten“…weil er genau überlegt und danach gehandelt hat. Seine Rechnungen gehen auf: Fleiß, Wille, Eigensinn und gute Arbeit lohnen sich also doch. Seiner geliebten Tochter würde er als Lebensweisheit vermitteln, daß es am Wichtigsten ist, den eigenen Weg zu finden und ihn auch zu gehen. Auch wenn keiner mitgeht.
S. DeZilva