Unser ganzes Leben lang verfolgen wir Ziele. Einen Schulabschluss, eine Berufsausbildung, später vielleicht eine bestimmte Position im Unternehmen oder die berufliche Selbstständigkeit. Manch einer verfolgt sportliche Ziele, wie zum Beispiel einen Marathon zu laufen oder auch private Ziele wie zu heiraten oder Kinder zu bekommen. Nicht zu vergessen die in unserer Gesellschaft hoch im Kurs stehenden finanziellen und materiellen Ziele: das Auto, das Haus, die Yacht, die Million auf dem Konto.
Und wenn wir das Ziel erreicht haben? In der Regel weicht unsere Freude, Genugtuung und Erleichterung schon bald einem Gefühl der Leere und Enttäuschung. Dafür habe ich all die Jahre geschuftet und Entbehrungen erduldet? Ein dauerhaftes Gefühl des Angekommenseins bleibt aus und so müssen schon wieder neue Pläne geschmiedet werden für das nächste noch großartigere Ziel, das die Erlösung verspricht.
Wann ist das ultimative Ziel eigentlich erreicht, wann müssen wir uns nicht mehr abstrampeln und kämpfen und können uns zurücklehnen, endlich machen was wir schon immer machen wollten und das Leben genießen? Auch wenn Sie es nicht gerne hören, wir alle streben letztendlich auf das gleiche Ziel zu und das erreichen wir ganz ohne Anstrengung, ganz egal was wir tun oder lassen. Vor allem die Kunst hat seit jeher versucht uns mit ihrem Weckruf „Memento mori!“ darauf hinzuweisen: „Bedenke, dass du sterben musst.“.
Aber welche Schlussfolgerung können wir daraus ziehen oder aus der etwas zeitgemäßeren Variante von John Lennon:
„Das Leben ist das, was passiert, während du damit beschäftigt bist andere Pläne zu schmieden.“
Eine Alternative zur Ausrichtung an der Frage was Sie erreichen wollen – die den Zustand des „gut seins“ und „genug seins“ auf die ewig unerreichbare Zukunft verschiebt – ist die Ausrichtung an der Frage wie Sie hier und jetzt leben wollen.
Im Grunde genommen ist dies die Frage nach Ihren Werten, also danach, was Ihnen wichtig ist und woran Sie Ihr Verhalten ausrichten. Am besten formulieren Sie Ihre Werte als ein Verhalten, zum Beispiel „mich gesund ernähren“, „kreativ tätig sein“ oder „respektvoll mit meinem Partner umgehen“. Im Gegensatz zu Zielen können Sie einen Wert nie „erreichen“ und dann abhaken. Wenn Sie heute respektvoll zu Ihrem Partner waren, dann sind Sie nicht damit „fertig“. Sie können Ihren Werten in einem bestimmten Moment nur mehr oder weniger gerecht werden.
Damit haben Werte gleich mehrere Vorteile gegenüber Zielen. Obwohl auch Werte sich verändern können, sind sie dauerhafter als Ziele und Sie müssen sich daher nicht dauernd neue Werte ausdenken. Der größte Vorteil ist allerdings, dass Sie Werte hier und jetzt sofort umsetzen können und damit auch die Befriedigung sofort erleben, Ihren Werten gerecht geworden zu sein.
Das alles heißt nicht, dass Sie Ihre Ziele über Bord werfen müssen. Aber erinnern Sie sich doch ab und zu daran, dass der Weg das Ziel ist. Beim Skifahren und beim Tanzen genauso wie im Umgang mit sich selbst und mit anderen Menschen.
Dr. Alexander Noll leitet als Psychotherapeut eine Privatpraxis in Berlin und gibt Seminare und Workshops in ganz Deutschland.
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