Uns bleibt nur eins: Uns gegen die Flut zu stemmen, so gut wir können.
Charles Bukowski
Wer an einem Samstagvormittag in der Küche der Familie von Perger in Breitbrunn am Ammersee landet, definiert den Begriff „Trubel“ ab sofort neu: eine Frau, vier Kinder, ein Hund, Großvater Maximilian und mehrere Mitarbeiter laufen hier durch, werkeln, essen und lachen hier. Mittendrin verkostet der Vater, Freiherr Johannes Romanus Laurentius von Perger, mit uns in aller Seelenruhe die neuesten Kreationen seiner Kelterei und Saftmanufaktur. Auf dem großen Familienesstisch: mehrere edle Flaschen, wie kleine Weinflaschen, mit dem Familienwappen auf weinrotem Grund – die neuen Lucullus Saft-Cuveés. Sehr fein – die verschiedenen Mischungen sind so harmonisch aufgebaut, dass man gar nicht so leicht herausschmecken kann, was er da verwendet hat…Eberesche, Quitte, Birne, Aronia … Etliche Spitzenköche und über zwanzig erstklassige Restaurants bieten die hochwertigen Perger-Säfte bereits an. Ich kann mir auch gut vorstellen, den Wein zum Essen durch Saft-Cuveé zu ersetzen.
Wir werden mit dem Verkosten und miteinander Sprechen nicht ganz fertig…denn nachdem der Freiherr uns beiläufig von seinen Obstgartenschweinen erzählt hat, stehen wir zehn Minuten später nach einer spontanen, wilden Geländefahrt einschließlich lässigem freiherrlichem Driften um Apfelbäume zwischen rund 90 Robustschweinen im Matsch, die fröhlich grunzen und quieken. Schwäbisch Hällische und Bentheimer, „…die verkauf’ ich
sogar manchmal an den Herrmannsdorfer“. Sie pflegen die Plantagen, fressen das Unkraut, und halten vor allem die Wühlmäuse fern, die enormen Schaden an den Hollerbäumen anrichteten.
Scheint in der Familie zu liegen, ungewöhnliche Lösungen für mehrere Probleme zugleich finden zu können. Obwohl, die Idee mit den Schweinen habe er nicht selbst gehabt. Ein alter Bauer aus Machtlfing erzählte ihm schon vor einigen Jahren, dass er immer die besten und meisten Äpfel hatte, weil er seine Schweine im Obstgarten hielt. Nein, eigene Namen haben sie nicht, die Schweine. Sie sind aber auch ohne Namen sehr beliebt, weil sie gut schmecken. Das von Perger´sche Obstgartenschwein wird immer häufiger nachgefragt in den Metzgereien. Und sie brauchen alleine für die Familie und die Mitarbeiter, bis zu zwanzig Menschen, die jeden Tag gemeinsam in der Trubelküche zu Mittag essen, „so um die sieben Schweine im Jahr“. Während wir uns den Schnitt der Hollerbäume erklären lassen, galoppieren im Hintergrund die drei größten Schweine anmutig am Zaun entlang, dahinter liegt, idyllisch und still im Herbstlicht, der Wörthsee.
Zurück zum Hof mit dem Hofladen. Hier entdecke ich auch Eierlikör und interessante Obstbrände…ob er die ebenfalls selbst macht? Nein, meint er, die hole er von anderen Bauern, aber sie seien natürlich auch gut! Auch die Kelterei und die Abfüllanlagen, der ganze Familienbetrieb, alles ist hier auf einem Gelände.
Der Großvater, Maximilian von Perger, war damals nach dem Krieg hier am Ammersee geblieben, auf der Flucht aus Böhmen. Es gab niemanden, der das Obst der Bauern pressen konnte. Der Großvater hat dann, als gelernter Elektromechaniker, aus den Bremszylindern eines Eisenbahnwaggons eine Obstpresse zusammengebastelt. So entstand die Lohnmosterei Perger. Sohn Johannes hatte erst Werkzeugmacher gelernt, bei Siemens gearbeitet und selbst gebastelte Surfbretter im Dorf verkauft, und nach der Lehre als Gärtner an der Fachhochschule Weihenstephan mit 24 den Betrieb übernommen. Heutzutage werden 1200 Tonnen Bio-Obst hier verarbeitet, rund 500 Tonnen Johannisbeeren, Äpfel, und Hollerbeeren aus eigenem Anbau. Gleichwohl, bei allem wirtschaftlichen Wachstum und Erfolg hat Johannes von Perger auch für die Zukunft die Vision, Menschen der Natur nahezubringen, und zum achtsamen Umgang mit der Schöpfung beizutragen. „Damit echter Genuß und damit Glück einen ehrlichen Platz in den Herzen haben…Meinen Kindern wünsche ich, dass sie dankbar sein können, kritisch sein können, aber keine Kritiker werden, und dass sie zusammen halten, Frieden pflegen.“
„Mein Held? Niemand eigentlich…doch, meine Großmutter! Sie war eine kleine Frau, geboren 1886, mit gigantischem Mut und Gottvertrauen, hat mit Freundlichkeit und Diplomatie auch schwierige Situationen im Krieg und auf der Flucht lösen können. Sie hatte eine unendliche Zuversicht, und Lebensfreude. Ich war jung und fuhr viel Motorrad, auf dem Hof und im Gelände. Sie stand lange da und sah mir zu…und fragte dann, ob sie hintendrauf mitfahren dürfe. Da war sie sechsundachtzig Jahre alt. Oder halt, mir fällt noch jemand ein: der Josef, ein verwitweter Schreiner aus Breitbrunn, der hat die Cousine meiner Mutter acht Jahre lang verehrt, auf sie gewartet, während sie ihren Vater pflegte, und sie dann als Dreiundsiebzigjähriger geheiratet. Sie haben dann noch runde zwölf Jahre als fröhliches Paar miteinander gelebt, kein Tanzboden war vor ihnen sicher.“
Seine Augen blitzen vor Freude. Aus der Trubelküche ruft seine Frau nach ihm. Er muß los jetzt. Zum Tanzen.
S. DeZilva