Auf der Jagd nach Falschgeld und gefälschten Pässen

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Die Geschichte der Fälschung und Falschgeld ist wohl so alt, wie die der Menschheit selbst. Neben einem historischen Überblick bieten wir Ihnen Einblicke in das Gespräch mit einem Mann, der sich vor jedem zweiten Satz rückversichern muss, ob die Information veröffentlicht werden darf: Slavi Bonev entwickelt im Auftrag von Frontex und Interpol, Algorithmen zur forensischen Analyse von Druckprozessen. Damit ist er einer der gefragtesten Männer bei der Bekämpfung von Falschgeld und Passmissbrauch.

 

„Die Fälschung unterscheidet sich vom Original dadurch, 

dass sie echter aussieht.“

Ernst Bloch

Bereits im 6. Jahrhundert vor Christus ließ Polykrates Bleimünzen mit Gold überziehen. Überhaupt war Gold zwar beliebt als physisches Zahlungsmittel, doch dessen einzigartige Eigenschaften stellten zugleich das größte Problem dar. So ist im Ehinger Römermuseum u.a. eine römische Falschmünzwerkstatt zu sehen. Besonders findige Fälscher knappsten von Goldmünzen jeweils ein kleines Stückchen ab, um aus vielen Krümeln neue Münzen zu prägen. Wer erwischt wurde riskierte noch bis ins 18. Jahrhundert hinein die Todesstrafe – was zu diesen Zeiten durch einen Wurf in siedendes Wasser oder Öl vollzogen wurde.
Zwar gab es damals noch kein Papiergeld, aber auch Urkunden ließen sich vortrefflich fälschen. So rechtfertigte die römische Kirche über 600 Jahre lang ihre Ansprüche über Rom und dessen Provinzen, mit einer angeblich von Konstantin dem Großen erstellten Urkunde. Dumm nur, dass diese erst im 8. Jahrhundert angefertigt wurde, während Konstantin der Große bereits 337 n.Chr. das Zeitliche gesegnet hatte.

Weit weniger dürfte bekannt sein, dass selbst Michelangelo sich der Fälschung schuldig machte. Er hatte den „schlafenden Cupidos“ nach antikem Vorbild in Marmor gehauen, ihn mit Hilfe von Erde und Asche altern lassen und als Original verkauft. Trotz dass dies 1496 aufflog, tat dies seinem Ruhm keinen Abbruch – man war vielmehr fasziniert von seinen Fähigkeiten.

Weit weniger fasziniert war Hermann Göring, der 1942 einen vermeintlich echten Jan Vermeer erstand. Dieser war jedoch von einem der bekanntesten Kunstfälscher des 20. Jahrhunderts gemalt worden: der holländische Künstler Han van Meegeren hatte sich insbesondere auf Vermeer spezialisiert. Als er 1945 verurteilt wurde entzog er sich seiner Haft, indem er einen Tag vor Ablauf seiner Berufungsfrist einen Herzinfarkt erlitt und zwei Monate später verstarb.

Dass die Nationalsozialisten selbst große Fälscher waren, zeigt die Geschichte rund um das Unternehmen „Bernhard“. Das NSDAP-Mitglied Bernhard Krüger initiierte die geheime Operation, mit der Herstellung von falschen englischen Pfundnoten die britische Wirtschaft durch eine Inflation zu schwächen. Sagenhafte 134 Millionen wurden von 144 Häftlingen, in einer eigenst dafür eingerichteten Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen, hergestellt. Das Falschgeld wurde über den Schwarzmarkt verteilt und genutzt, um Devisen zu kaufen.

Mehr als 30 Prozent behielt Bernhard Krüger, der Werkstattleiter Friedrich Schwend und seine Gefolgschaft zwecks Eigenbereicherung selber ein. Immerhin war die Qualität der Scheine so außergewöhnlich gut, dass die Bank von England nach dem Krieg sämtliche 50 Pfundnoten vom Markt nehmen mußte, da sie schlicht und ergreifend nicht von den Fälschungen unterschieden werden konnten.
Die beste Fälschung ist wohl die, die gar keine ist.

Falschgeld auf die cleverste Art – einfach echtes Geld drucken lassen

Die wohl cleverste Art der Geldfälschung vollführte Alves dos Reis im Jahre 1924. Die Logik ist so simpel wie genial. Anstatt in großen Mengen Geld zu fälschen, fälschte er einfach einen Auftrag der Portugiesischen Zentralbank zur Herstellung von Banknoten. Den perfekt gefälschten Vertrag ließ er sich von der deutschen, britischen und französischen Botschaft beglaubigen. So begann das britische Unternehmen Waterlow & Sons mit der Produktion von 200.000 Banknoten zu je 500 Escudo-Scheinen. Das entsprach einem Gegenwert von etwa 1 Prozent des portugiesischen BIP. Er gründete damit seine eigene Bank, vergab Kredite und erwarb schließlich Anteile an der Banco de Portugal mit der Absicht, diese bald selbst zu übernehmen.
Die Idee hatte nur eine einzige Schwachstelle: er ließ die Banknoten mit bestehenden Nummerierungen nachdrucken, da er behauptete, dass das Geld in einem zweiten Verfahren mit der Aufschrift „Angola“ bedruckt werden würde, um in dieser Kolonie Verwendung zu finden. Selbst die Briefe zwischen Waterlow & Sons und der Banco de Portugal hatte er abgefangen und gefälscht. Eigentlich war lange Zeit alles gut gegangen. Bis ein kleiner Beamter zwei Banknoten mit der gleichen Nummerierung fand und der Schwindel aufflog. Die im Spiel befindlichen Geldsummen waren so gewaltig, dass dieser Vorfall eine Staatskrise auslöste, die durch die sinkende Währung, schlußendlich dem Militär mit dazu verhalf, eine Diktatur in Portugal zu errichten.
All diese Geschichten sind natürlich auch Slavi Bonev bekannt. Gerade über die „echten“ portugiesischen Banknoten muss er lächeln. Als aktuelles Beispiel führt er „gefälschte“ syrische Pässe an. Natürlich gibt es die Art von Pässen, die Flüchtlinge aus anderen Ländern für ein paar Dollar kaufen können, da sie sich davon höhere Asylchancen erhoffen. Die Problematik und die größte Gefahr geht aber von denjenigen aus, die über echte, von der Regierung hergestellte Pässe verfügen, denen aber falsche Angaben zugrunde liegen (möglich durch Korruption).

Da kann die AFD lange rufen „ohne Pass kommt niemand rein“. Diese Pässe sind in Ihrer Erscheinung absolut echt: die sogenannten Fraudulently Obtained Genuines (FOG).Das ist ein Problem welches weit über die reine Fälschungsthematik hinausreicht. Bonevs Auftrag ist aber zunächst, die Entwicklung von Algorithmen und Hardware zur forensischen Analyse von Druckprozessen.

„Ein Zollbeamter hat zw. 12 und 25 Sekunden Zeit, einen Pass auf seine Echtheit zu prüfen.“, so Bonev. „Dabei werden zunächst die unteren Zahlenreihen abgeglichen.“ Wurde der Pass aber manipuliert, z.B. durch das hauchdünne Aufbringen einer anderen Fotografie, wird es schwer, dies in so kurzer Zeit festzustellen. Die technischen Möglichkeiten an den einzelnen Grenzstationen sind einfach veraltet und wir brauchen Verfahren, die in Sekundenschnelle eindeutige Ergebnisse liefern.“

Wie Milliarden von Falschgeld aufspüren?

Ganz ähnlich liegt das Problem bei dem Thema Falschgeld, nur mit umgekehrten Vorzeichen.Die Zeit eine einzelne Banknote genau zu untersuchen ist prinzipiell gegeben. Nur wer prüft die schiere Summe von 11,7 Milliarden Euros, die 2017 in Umlauf sind? Das Bundeskriminalamt gibt dabei an, dass in Deutschland etwa 108.000 gefälschte Banknoten, mit einem Nennwert von 7,3 Millionen Euro in Umlauf sind – für Europa werden Zahlen von 2 Millionen Banknoten mit einem Wert von 136 Millionen Euro genannt. Immerhin liefen 2016 über 4.000 Ermittlungsverfahren bei 3.500 Verdächtigen. Das BKA lobt sich in seinem Bundeslagebild gerne selbst und spricht von überschaubaren Beträgen. Teilt man dagegen die Zahl von 7 Millionen durch 3.500 Verdächtige (und das sind nur diejenigen, gegen die tatsächlich ermittelt wird) zeigt sich, dass im Schnitt jeder Fälscher gerade mal 2.000 Euro Falschgeld hergestellt haben müßte. Die meist gefälschte europäische Banknote ist der 50 Euroschein. Alleine auf einen Druckbogen passen ca. 32 Banknoten, die einem Wert von 1.600 Euro entsprechen. Glaubt das BKA allen Ernstes, dass ein Fälscher im Schnitt genau 1,5 Druckbogen herstellen soll? Wir müssen also davon ausgehen, dass die tatsächliche Falschgeldmenge ein vielfaches dessen beträgt, als was das BKA vermutet.

Das Problem dabei sind eigentlich nicht die Scheine, weiss Bonev zu berichten. Diese sind tatsächlich fälschungssicher. Und er zählt gleich eine ganze Liste an Merkmalen dazu auf: Wasserzeichen, Sicherheitsfaden, Glanzeffekte, Anti-Kopier-Raster, magnetische Elemente, fühlbare Druckbilder, Hologramme, Microschrift und Farbwechsel. Dann gibt es noch diejenigen Merkmale über die er nicht reden darf, da sie geheim sind, um es möglichen Fälschern noch schwerer zu machen. Das Problem ist, dass die Menschen auf der Straße und im alltäglichen Handel einfach nicht erkennen können, ob es sich um Fälschungen handelt. Den Fälschern reicht es also aus diejenigen Merkmale zu fälschen, die für den Laien wahrnehmbar sind. Dann hilft auch der fälschungssicherste Schein nicht mehr, wenn eine gute Fälschung problemlos als Zahlungsmittel akzeptiert wird.
Genau hier ist die Expertise von Slavi Bonev wieder gefragt. Einerseits klärt er Banken und Regierungen darüber auf, über welche aktuellen Möglichkeiten die Fälscher verfügen und andererseits entwickelt er die Methodik um schnellere Prüfverfahren zu ermöglichen.
Unterm Strich bleibt es das ewige Hase und Igel Spiel – wenn auch ein verdammt Spannendes.

Tobias Vetter

Quellen und Fotocredit:
Frontex Risk Analysis for 2017
BKA Bundeslagebild 2016
Deutsche Bundesbank Eurosystem
www.regulaforensics.com
www.andrupos.com
www.epyxs.com