Andreas Gursky – Knowing Art

eingetragen in: Kultur, Künstler Porträts, N°20 | 0

 

 

Ein Teil von Andreas Gurskys Erfolg dürfte dem Prinzip „Gib dem (n) Affen Zucker“ geschuldet sein. Und dankbar picken Kunsthistoriker und Feuilletonisten die gestreuten Brotkrumen auf. Gurskys Portfolio ist ja breit genug gefächert. Es gibt den Anlass über alles und nichts nachzudenken, zu reflektieren. Von der Armut in der Welt, dem Kapitalismus, dem Sozialismus,  Arbeitsbedingungen, Luxus und was den klugen Köpfen dieser Zeit sonst so unter den Nägeln brennt. Offensiver lassen nur die hochglanzpolierten Objekte eines Jeff Koons die Kritiker zu intellektueller Masturbation auflaufen. Aber das sollte man Gursky nun wirklich nicht zum Vorwurf machen.

Denn würde man sich auf die naheliegenden, gesellschaftsrelevanten Interpretationen der geeigneten Sujets beschränken, dann wäre Gursky wahrhaft ein Einfaltspinsel. Dabei liegt diesen Werken doch eine einfache Wahrheit zugrunde: jegliche Form der Fotografie ist nur eine mögliche Version der Realität und als solche eben nicht real. Man könnte auch sagen, dass schlicht und ergreifend überhaupt keine gültige Realität existiert. Warum dann nicht seine eigene Version ins Spiel bringen? Eine eigene Wirklichkeit schaffen?

Man kann in Gurskys Fotografien kaum differenzieren, was manipuliert wurde und was nicht. Nicht nur, dass Gursky sich den klassischen Mitteln der digitalen Bildnachbearbeitung bedient, er fügt die Fotografien auch in Kompositionen neu zusammen. Da werden z.B. Mikrokontraste in Tiefen und Lichtern erhöht, Farbwerte der Mitteltöne angeglichen, oder ganze Bildelemente mehrfach verwendet. Eines haben die meisten seiner Werke gemein: Sie funktionieren aus verschiedenen Betrachtungsdistanzen. Die Aufnahmen sind so detailreich, dass sich nach näherer Betrachtung der großflächigen Strukturen immer wieder neue Kosmen erschließen.

Die Gesamtfotografie – aus der Distanz betrachtet – folgt dabei klassischen, malerischen Regeln. Gursky arbeitet dabei mit klaren Kompositionen und strukturierten Flächen, denen eindeutige und selektierte Farbwerte zugeordnet sind. Dadurch lenkt er den Betrachter geschickt durch die Szenerien. Manipulation findet aber auch durch das nicht Gezeigte statt. Immer wieder werden ganze Bereiche durch schwarze Tonwerte ausgeblendet.

Durch dieses Vorgehen funktionieren die Fotografien auf mehreren Ebenen.

Es gibt die plakative, erzählerische Ebene, mit zum Teil provokativen Sujets. Andererseits gibt es die völlig abstrakte Ebene, in der, wie in der Malerei, Farbe, Struktur und Raum ein Ganzes bilden. Spannend wird es, wenn diese beiden Ebenen sich zu einer dritten Dimension verbinden. Wenn die Ästhetik des Raums, die Rhythmik der Farben und der Wiederholungen, das Sujet aufgreifen und der Erzählebene eine dringlichere, authentischere Ebene hinzufügen.

Gursky gilt als einer der Wegbereiter der Etablierung zeitgenössischer Fotografie, als adäquate Kunst, neben den klassischen Genres Malerei und Bildhauerei. Dass einige seiner Werke mit einer eher kindlichen Plakativität spielen, tut dieser Sache sicherlich keinen Abbruch, erklärt aber wohl seine enorme Popularität.

χ  Tobias Vetter

 

„Was mich schlussendlich interessiert, ist nicht, Wirklichkeit zu erfinden, sondern die Wirklichkeit an sich.“   Andreas Gursky

 

 

 

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