Wir jemals mit Creditreform, Schufa und Co zu tun hatte, wird unserem Autor beipflichten: Deren Einschätzungen reichen von katastrophal bis haarsträubend. Eine Einschätzung…
Was Hände bauen, können Hände stürzen.
Friedrich Schiller
Der Skandal war groß, als vor drei Jahren eine Studie des Verbraucherschutzministeriums feststellte, dass 45 % der Eigenauskünfte von Schufa, Creditreform und anderen Auskunftsdateien voller Fehler waren.
Die Zeitschrift „Finanztest“ der Stiftung Warentest ermittelte 2003 sogar eine Fehlerquote von unglaublichen 69 % ( Ausgabe 4/2003).
Die Politik reagierte und so wurden unter Ilse Aigner neue Gesetze verabschiedet, die den Verbraucher schützen sollen. So kann man seit dem 1. April 2010 einmal jährlich eine kostenlose Selbstauskunft anfordern. Wir haben die Probe gemacht und einige Einzelhändler in der Region nach ihren Erfahrungen mit Creditreform befragt.
Die Ergebnisse reichen von katastrophal bis haarsträubend.
Da Einzelhändler nicht dazu verpflichtet sind, Ihre Geschäftsdaten offenzulegen, bedient sich Creditreform eines einfachen Tricks: Es schätzt die Unternehmenszahlen einfach selbst und ermittelt, mit einer prozentualen Genauigkeit auf zwei Nachkommastellen, die Kreditwürdigkeit des Unternehmens.
So wurde etwa z.B. bei dem Juristen und Datenschützer Jonas Beyer eine Zahlungswahrscheinlichkeit von gerade mal 89,69 % ermittelt. Creditreform legte dieser Berechnung die Tatsache zu Grunde, dass Herr Beyer männlich war, ein gewisses Alter hatte und in einer bestimmten Region wohnte.
Uns liegen die Creditreformeinschätzungen zu einigen lokalen Einzelhändlern vor. Ein Beispiel: Seit 3 Jahren wird ein Unternehmen von Creditreform mit einer Wahrscheinlichkeit von 87,52 % von einer Insolvenz bedroht eingestuft. Nachdem wir sämtliche Unterlagen gesichtet haben, mußten wir feststellen, dass Creditreform diese Einschätzung zum einen auf rein geschätzten Zahlen und zum anderen aufgrund eines einzigen Vorfalls errechnet hat, bei dem es zwischen einem Zulieferer und dem Einzelhändler zu Zahlungskomplikationen kam. Diese Komplikationen konnten jedoch mit schriftlicher Bestätigung beider Seiten außergerichtlich geklärt werden.Creditreform beharrt jedoch auf Ihrer Einschätzung.
Da uns die tatsächlichen Zahlen des Unternehmens vorliegen, konnten wir feststellen, dass die Schätzungen von Creditreform um mehr als 40 % daneben lagen. Trotzdem stellt Creditreform Prognosen im Hundertstel– Bereich – eine wahrhaft verblüffende Fähigkeit.
Nachdem unsere Recherche mehrere solcher Fälle im Fünfseenland aufdeckte, stellten wir folgende Anfrage an Creditreform, für die wir leider bis dato keine Stellungnahme erhielten:
Mit einer wie hohen prozentualen Abweichung kalkuliert Credit-reform ihre eigene Einschätzung?
Wie viele Unternehmen hat Creditreform in den letzten fünf Jahren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als 80 % als insolvenzgefährdet eingestuft?
Wie viele von diesen eingestuften Unternehmen sind tatsächlich in Insolvenz gegangen?
Creditreform kontert gewöhnlich bei falschen Eintragungen damit, dass man ja seine Geschäftszahlen offen legen könne. Ansonsten sei man eben auf Schätzungen angewiesen.
Das Problem bei der Sache ist leider ein anderes. Mittlerweile bedienen sich neben Banken und Kreditgebern auch immer mehr Unternehmen bei dieser Auskunftsdatei. Gleichzeitig haben viele Unternehmen eine Zahlungsausfallversicherung abgeschlossen, die gleichzeitig nur greift, wenn vorher eine Wirtschaftsauskunft positiv bewertet wurde. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Wer als Einzelhändler Ware einkaufen möchte, aber eine negative Wirtschaftsauskunft hat, wird vom Zulieferer nicht mehr beliefert. Das Problem ist nur, dass mein Zuliefer auch nichts mehr an mir verdient.
Unterm Strich rühmt sich Creditreform damit, die Anzahl von Zahlungsausfällen zu reduzieren. Schön und gut, die volkswirtschaftliche Frage bleibt jedoch unbeantwortet:
Wie viele Kredite und Transaktionen hätten positiv abgeschlossen und bedient werden können, wenn Creditreform das nicht verhindert hätte?
Bei den von uns gesichteten Seiten, können Unternehmen, die einen Umsatz von mehr als 1 Million € haben, und einen Gewinn von mehr als 100.000,- € ausweisen, keine Handyverträge mehr abschließen. Und das, weil es Komplikationen im Tausend-Euro-Bereich gab, oder die Branche, der Standort oder die Mitarbeiterzahl des Unternehmens für Creditreform nicht positiv erscheint.
Ich habe zu diesem Thema mit drei Steuerberatern aus Starnberg gesprochen. Deren zusammengefassten Meinungen ergeben ein klares Bild: Moralisch und Datenschutztechnisch ist das eine Katastrophe – Unternehmerisch ist zu empfehlen, die Daten transparent zu machen, um dann eine eventuell schlechte Einschätzung juristisch zu beklagen.
Armes Deutschland.
Tobias Vetter