Seestyle im Gespräch mit der Starnberger Anwältin, Dr. Anja Frankenberger
Dem Leben mehr Zeit geben – die Kindness for Kids Foundation |
Seestyle im Gespräch mit der Starnberger Anwältin, Dr. Anja Frankenberger, 42, Mitgründerin und Stiftungsvorstand der Kinderstiftung „Kindness for Kids’ über Leben, Zeit, kleine Glücksmomente und wie es ist, wenn der Beruf zur Berufung wird.
Gestern war Anja Frankenberger noch auf einem Segelschiff in der Ostsee unterwegs. Mit Kindern, deren Zeit kostbar ist, weil ihr Leben oft nur eine Kindheit dauert. Heute empfängt mich Anja Frankenberger mit lachenden Augen in ihrem Homeoffice in Starnberg. Sie wirkt hellwach und präsent, obwohl sie die letzten Tage nur wenig geschlafen hat. Die Woche war anstrengend und die Eindrücke intensiv, erzählt sie, aber erfüllend – dabei umschließt sie mit beiden Händen eine Cappuccino-Tasse, die vor ihr auf dem weißen Schreibtisch steht. Im Gespräch lerne ich eine willensstarke Frau kennen, die mitten im Leben steht und ihre Motivation und ihr Glück aus einer ganz besonderen Aufgabe schöpft.
Bis die promovierte Juristin allerdings ihrem Herzen folgt und aus dem Beruf eine Herzenssache wird, vergehen Jahre. Sie erinnert sich an eine junge Frau, die aus einer Familie stammt, in der die Leidenschaft für den Arztberuf von Generation zu Generation weitergetragen wird, der die Medizin selbst aber völlig fremd ist und die sich, zum Erstaunen der Familie, nicht so recht zum Arzt-Sein berufen fühlt. Fortan gilt sie als kleine Exotin. Also studiert Anja Frankenberger einfach Jura und macht ihre ersten Berufs-Erfahrungen in internationalen Kanzleien in New York und in Kapstadt „Die Honorare wurden dort im 8-Minuten Takt abgerechnet und waren einfach horrend hoch. Dabei wanderte ein beträchtlicher Teil der Arbeit in den Papierkorb und dass mich das niemals zufrieden machen würde, war mir schnell klar.“ Sie promoviert und geht im Anschluß für drei Jahre in eine renommierte Personalberatung in Grünwald für internationale Topjobs auf Vorstands- und Geschäftsführungsebene, spürte aber auch hier, dass sie diesen Weg nicht endlos weitergehen wollte.
„Ich wollte eine Arbeit, mit der ich etwas bewirken kann, die mir Erfüllung bringt und nicht primär Prestige. Mir wurde bewusst, dass ich meine Zeit mit etwas verbringen wollte, das mir auch etwas bedeutet. So erlebnisvoll, lehrreich und auch spannend all diese Jahre waren, es war Zeit für ein neues Kapitel“. Kurzerhand hängt die Starnbergerin den berühmten Nagel an die Wand und gibt ihrem Leben eine Wende. Seit nunmehr elf Jahren ist Dr. Anja Frankenberger Stiftungsvorstand und Mitgründerin der Stiftung Kindness for Kids. … weil das Leben Schicksal spielte.
In Person ihrer Cousine, die damals als Ärztin der Haunerschen Kinderklinik in München arbeitete und hautnah mitbekam, wie hilf- und ratlos die meisten Mediziner dem Feld der sogenannten „seltenen Erkrankungen“ begegneten, wie groß die Not und wie lange der Leidensweg bei den Betroffenen war und ist.
Durchschnittlich vergehen in Deutschland immerhin sieben Jahre bis eine seltene Erkrankung erkannt wird, so Frankenberger. „Die Lage war einfach katastrophal. Es gab kein Geld für diese Fälle, die von der Symptomatik einfach nicht einzuordnen waren“. Je häufiger ihre Cousine Anja Frankenberger von dem Martyrium der kleinen Patienten mitsamt deren betroffenen Familien erzählte, umso ausgeprägter wird der Wunsch der beiden Frauen in diesem Bereich Linderung zu schaffen, umso größer wird die Entschlossenheit, aktiv zu helfen – auch deshalb, weil die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für diese Thematik gleich Null und die Betroffenen weitestgehend auf sich alleine gestellt waren.
Und so riefen die beiden Frauen mit großen Ambitionen, einem höhren Ziel und jeder Menge Motivation und Zuversicht 2003 die Stiftung „Kindness for Kids“ ins Leben –seinerzeit die erste Stiftung in Deutschland, die sich um Kinder mit Seltenen Krankheiten in der Gesamtheit kümmerte. „Anfangs wussten wir gar nicht so recht wo überhaupt anfangen“, erinnert sich Anja Frankenberger, denn die zu bewältigende Aufgabe war und ist groß. „Aber uns war von Beginn an klar, dass wir Dinge anschieben, die Forschung beschleunigen und das Bewusstsein schärfen wollten, um den Kindern eine leichtere und gesündere Zukunft zu ermöglichen.“
Laut der World Health Organization gilt eine Krankheit als selten, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen von einer Gesundheitsstörung betroffen sind.
Alleine in Deutschland gibt es über vier Millionen betroffene Patienten. Davon mehr als drei Millionen Kinder, die an einer der über 7.000 bekannten seltenen Erkrankungen leiden wie Immundefekte, Stoffwechselstörungen, Mukoviszidose, rheumatische Erkrankungen und Krankheiten, deren Namen so kompliziert lang sind, dass man sie fast nicht aussprechen kann. Die betroffenen Kinder verbringen ihre Kindheit nur unter enorm großen Schwierigkeiten und mit vielen Einschränkungen – „deshalb haben wir uns entschlossen diesen Kindern, die meist nur ihre Kindheit haben, eine Stimme zu geben“.
Lachen, herumtollen und einfach unbeschwert Kind sein dürfen. Dies ist nicht selbstverständlich für Kinder, die ihre Kindheit zu oft in Krankenhäusern und bei Ärzten verbringen müssen. Um Mut zu machen und den Kindern und ihren Familien zu einem kleinen Stück Normalität zu verhelfen, organisiert die Stiftung therapeutisch begleitete Ferienaufenthalte in ganz Deutschland: Ob Urlaub auf dem Bauernhof, Waldpiraten- bzw. Zirkuscamps oder wie soeben ein Segeltörn an der Ostsee mit zum Teil schwerst betroffenen Kindern. „Dem Wind entgegen zu segeln oder auf einem Pferderücken zu liegen, entspannt und lässt den Gedanken an das Krankenhaus zumindest für einen Augenblick verfliegen“, so Frankenberger. Auch für die Eltern und gesunden Geschwister, die häufig zurückstecken müssen, bedeuten die Camp-Aufenthalte eine kleine Auszeit von ihrem doch so beschwerlichen Alltag. Anja Frankenberger berichtet von Paul, dem 13jährigen Jungen, der mittlerweile schon einige Jahre an den Camps teilnimmt. Für ihn und viele andere ist diese Zeit einmal im Jahr ein Lichtblick, eine Energie- und Kraftquelle, das Schicksal tapfer meistern zu können. Auch diesmal war Paul auf dem Schiff an der Ostsee dabei. Der Junge leidet an einer besonderen Form der Muskeldystrophie. „Manchmal ist es nur schwer zu ertragen, wie es dem Jungen von Mal zu Mal schlechter geht. Aber trotz seiner Krankheit freut er sich ungemein, seine Freunde auch diesmal wieder auf dem Schiff wiederzusehen, am Ostseestrand zu sitzen und den Möwen beim Fliegen zuzuschauen. „Diese Augenblicke sind ein unsagbares Geschenk und machen mich glücklich, die Kinder eine kurze Zeit lang im Jahr begleiten zu können und für sie einzustehen“.
Die Kern-Problematik der seltenen Erkrankungen, die auch die Waisenkinder der Medizin genannt werden, ist, dass die Anzahl der Patienten so gering ist, dass es oftmals keine wissenschaftliche Forschung gibt, keine ausreichenden Therapien, keine wirksamen Medikamente, keine geeigneten Anlaufstellen und keine Unterstützung für die betroffenen Familien.
„Dieser Bereich ist für die Pharmaindustrie schlicht nicht profitabel, so Frankenberger. Anerkannte Therapien existieren für die meisten Krankheiten nicht, so dass die Krankenkassen deshalb erst nach endlosen, für die Betroffenen enorm kräftezehrenden Diskussionen für die Behandlungen bezahlen. Ein Punkt, der zum Nachdenken anregt, leben wir schließlich in einem Land mit einem der besten medizinischen Versorgungssysteme. Meistens landen die kranken Kinder in Unikliniken, an denen aber oft Personalmangel herrscht. Zudem stehen den niedrigen Patientenzahlen einfach immens hohe Kosten in der Medikamenten-Entwicklung gegenüber, was leider dazu führt, dass dieses pharmakologische Forschungsfeld wenig Beachtung erfährt, obwohl die Betroffenen auf dauerhafte ärztliche Betreuung und Behandlung angewiesen sind. „Das ist ein fortwährender Kreislauf. Vor diesem Hintergrund finanzieren wir – neben den Feriencamps – die Forschung in wissenschaftlichen Einrichtungen und fördern Projekte von jungen Wissenschaftlern, Chemikern oder Biologen“, betont die Stiftungsvorständin, ist medizinische Forschung doch der Garant für wegweisende Erfolge bei der Behandlung.
Wie kostbar die kleinen Augenblicke des Glücks sind und wie wertvoll unsere Lebenszeit, wird einem in dem Gespräch mit Anja Frankenberger von Sekunde zu Sekunde mehr bewusst. Seit sie mit ihrer Vorstandskollegin, ihrem Team und ganz viel Herzblut „Großes für die Kleinen“ bewegt, hat auch das Maß an Dankbarkeit und Demut zugenommen, mit dem sie das eigene Leben betrachtet, dass nichts auf Erden selbstverständlich ist und schon gar nicht, zwei gesunde Kinder und ein glückliches Heim zu haben. Bisher bereut sie keinen Moment, ihre Laufbahn gegen ihre heutige Aufgabe eingetauscht zu haben. Und da ist es nur passend, dass der Kosmos ihrer heutigen Karriere nach dem Leitsatz ausgerichtet ist, den sich die Stiftung gemäß einem Motto von Mark Twain zu eigen gemacht hat „Kindness is the language that the deaf can hear and the blind can see“.
χ Fleischmann / Köhnlechner
Wer für Kindness for Kids spenden möchte: