Michael Martin – Der Wüstenfuchs

 

IN DER WÜSTE BIN ICH DAS WERT, WAS MEINE GÖTTER WERT SIND – Antoine de Saint Exupéry –

Er ist Fotograf, Forschungsreisender, Abenteurer: Seit dreißig Jahren bereist Michael Martin aus München die Wüsten dieser Erde.Jetzt sind seine besten Fotografien in einer Ausstellung zu sehen. 

Nachdem ich das erste Mal selbst die Sahara bereist hatte, stieß ich im damals heimischen München auf ein Plakat: „Die Wüsten der Erde“ – eine multimediale Diashow des Fotografen und Geologen Michael Martin. Die Muffathalle war bis zur letzten Reihe gefüllt und auf der überdimensionalen Leinwand  folgten wir den mit Livekommentaren versehenen Fotografien.

Seitdem sind nun doch einige Jahre vergangen, und wenn Michael Martin damals gewiss auch schon  kein Unbekannter war, freut es mich doch zu sehen, wie weit seine Reise noch ging. Kaum vorstellbar, dass er in den frühen Achtzigerjahren als gerade mal Siebzehnjähriger mit einem Mofa zu seinem ersten Sahara-Trip aufbrach. Astronomie faszinierte ihn derart, dass er losfuhr, um den Sternenhimmel der südlichen Hemisphäre beobachten zu können. Auf natürlichste Weise führte das eine zum anderen.

Mit der Beobachtung der Sterne ging die Beschäftigung mit der Fotografie einher und zusammen führte das zu den entlegensten Orten dieser Erde. 

Wenn Michael Martin gerade von seinen ersten Abenteuerreisen erzählt, so wird einem bewusst, wie stark sich die Welt doch gewandelt hat. Nach seiner ersten Tour mit einem Mofa folgten zahlreiche alte bis schrottreife Fahrzeuge. Vom klassischen Opel Kadett über den VW Bus und dann zu insgesamt über 16 alten Peugeots. Der Vorteil dieser Peugeots lag auf der Hand. Robuste Motoren, wenig Elektronik und in Deutschland spottbillig zu haben. Gleichzeitig konnte man sie, eine gewisse Geschäftstüchtigkeit vorausgesetzt, an die wohlhabenden Schichten nordafrikanischer Länder gewinnbringend verkaufen.

Erst später konnte sich Michael Martin richtige Geländewagen wie den Nissan Patrol leisten. Trotzdem blieb die Liste der mitgeführten Ersatzteile absurd lang und immer wieder waren er und seine Mitreisende auf die Hilfe der einheimischen Bevölkerung oder anderer Abenteurer angewiesen. Oder man wurde selbst kreativ und flickte leckgeschlagene Kühler mit Kautabak und fuhr selbst bei 45 °C Außentemperatur mit aufgedrehter Heizung, um dem Motor wenigstens ein Minimum an Hitze zu entziehen. Schließlich konnte Michael Martin mit Unterstützung von BMW zu einer ersten Motorradtour aufbrechen. Im Jahr 1992 waren bereits große Teile des östlichen und südlichen Afrikas recht gut erschlossen und den Gedanken, auf asphaltierten Straßen mit einem Geländewagen zu fahren, befand Martin dann doch als zu langweilig. Trotz umfangreicher Entbehrung – alles Gepäck musste aufs Nötigste reduziert werden – konnte Michael Martin die Wüsten so unmittelbar und nahe erleben. Jede Temperaturschwankung, der Geruch der Erde und vor allem die absolute Nähe der Menschen. Endlich war er raus aus dem „Metallkasten“, der ihn doch zusehends abgeschottet hatte.

Über 100 Wüstenreisen hat Michael Martin unternommen. Eine schier unvorstellbar hohe Zahl. 

Über eine Million Fotos brachte er von seinen Reisen mit und publizierte zahlreiche Bildbände. Wer dabei glaubt, dass die kurzen Aufenthalte in der Heimat nur die ungeduldig ertragenen Zwischenpausen vor der jeweils nächsten Reise sind, der irrt. Wer nur weit genug weg von Deutschland ist, der sieht natürlich vieles mit anderen Augen. Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und eine funktionierende Bürokratie weiß Martin genauso zu schätzen wie seine oberbayrische Heimat. Als Vater zweier Kinder ist er mit Sicherheit nicht der klassische Daddy, aber auch hier schafft er die nur scheinbare Kluft aus Heimat und der Erfahrung der Ferne. Auch wenn er im Nachhinein vielleicht doch nicht jedem empfehlen würde, schon Kleinstkinder mit auf Wüstensafaris zu nehmen, so weiß er doch, dass die Erfahrung und Begegnung, die seine Kinder mit ihm erleben durften, von unschätzbarem Wert sind. Der sich oft überlegen fühlenden westlichen Kultur stellt er die pure und unmittelbare Erfahrung – das Erlebnis des Anderen – gegenüber. Nicht verwunderlich also, dass sich seine Fotografien, die zunächst aufgrund seines Interesses an den Sternen, dann wegen seines fachlichen, geologischen Hintergrunds entstanden, sich mehr und mehr den Menschen auf seinen Reisen widmen.

Bei aller Feingeistigkeit versäumt er es nicht, auf die Brutalität und Unbarmherzigkeit dieser rauen Landschaften hinzuweisen. Von mörderischer Hitze, schwierigen hygienischen Bedingungen ist die Rede. Ob er von Wanzen zerbissen wurde oder sich mit verschmutztem Trinkwasser herumschlug, immer ist die Reise auch ein elementarer Kampf, eine Auseinandersetzung mit den Grundregeln des Lebens. Daneben spielt natürlich der Mensch selbst eine entscheidende Rolle. Zahlreiche seiner Reisen führten Michael Martin durch Krisengebiete, mitunter fuhr er quer durch Minenfelder. Seine Vorträge sind deshalb gespickt mit spannenden Anekdoten, aber auch mit selbstreflexiven Gedanken und einer gehörigen Portion Ironie. Spannend zu sehen, wie ein Charakter an diesen Gegensätzen wächst – sich behauptet oder vielleicht erst dadurch er selbst wird.

Gerne möchte ich Ihnen neben den Büchern von Michael Martin noch folgende Literatur empfehlen: „Die Enden der Welt“ von Roger Willemsen und „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann.  Beides Werke, in denen ich den Geist von Michael Martin wiederzufinden glaube. Es ist nicht nur die Abenteuerlust, das stetige Sprengen von Grenzen, sondern immer auch der Hunger auf Bildung, die Neugier auf Kulturen und Begegnungen, was diese Protagonisten antreibt. Darüber hinaus gibt es den nicht zu unterschätzenden Anteil an naturwissenschaftlichem Interesse. Was bei Michael Martin auch fasziniert, ist sein fotografisches Gespür. Recht schnell wurde da die Grenze von einer dokumentarischen hin zu einer künstlerischen Fotografie durchbrochen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Michael Martin nun auch mit den spannendsten seiner Arbeiten an die Öffentlichkeit geht. So oder so sollten Sie die Möglichkeit nutzen und diese facettenreiche Persönlichkeit live erleben oder sich auf Spurensuche anhand seiner Arbeit machen.

∗ Tobias Vetter

 

Tipp: Fotoausstellung „Ich lebe meinen Traum“ Michael Martin

Hauptbahnhof München | 22. – 30. Juli 2013

Eintritt frei. Auch in den kommenden Monaten zeigt Michael Martin seine Vorträge „30 Jahre Abenteuer“ und „Die Wüsten de Erde“ wieder in ganz Oberbayern. 

Unter www.michael-martin.de können Karten reserviert werden.