Das Nazigold vom Walchensee

Wie oft ist das Thema schon durch die Presse gegeistert: „Das Millionending vom Walchensee“. Bücher wurden geschrieben, Filme und Dokumentationen gedreht. Wissenschaftler, Abenteurer oder Heimatforscher nahmen sich der Sache an.
Die Rede ist vom berüchtigten Nazigold.
Zunächst unstrittig ist, dass Hitler im April 1945 befahl, Teile des Reichsvermögens vor den alliierten Truppen zu verstecken. Recht gut dokumentiert ist auch, dass am 26. April 1945 ausgesuchte Offiziere aus der Gebirgsjägerkaserne Mittenwald, um den damaligen Befehlshaber Oberst Franz Pfeiffer, mit Hilfe von Maultieren Gold, Devisen und Edelsteine auf den Berg „Steinriegel“ schafften. Steinriegel nennt sich der 917 m hohe Berg südlich von Einsiedel am Walchensee gelegen. Von diesem Tag an beginnen sich Spekulationen, Augenzeugenberichte und Tatsachen unentwirrbar zu verbinden.
So sollen Teile des Goldes in bis zu 3 Meter tiefen „Depots“ gelagert worden sein. Mit Stützbrettern abgestützt und mit Dachpappe gegen Feuchtigkeit abgeschirmt, wurden sie mit Grasnarben, Steinen und jungen Kiefern sorgfältigst geschützt. Diese getarnten Verstecke mußten allerdings wenige Tage später schon wieder geöffnet werden – Reichswirtschaftsminister Dr. Funk hatte persönlich angeordnet, durch Reichsbankdirektor Dr. Schwedler mehrere Säcke Devisen aus dem Bestand des Reichsschatzes besorgen zu lassen. Die Alliierten standen quasi schon vor Garmisch und da die wiedergeöffneten Depots nicht mehr so sorgfältig zu tarnen waren, wies Oberst Franz Pfeiffer unter strengster Geheimhaltung dazu an, das Gold in andere, in der Nähe befindlichen Verstecke zu vergraben.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren laut der offiziellen Listen erst 2 der jeweils 12 kg schweren Goldbarren verschwunden. Diese konnten wenig später, versteckt im offenen Kamin des Casinos der Gebirgsjägerkaserne Mittenwald, sichergestellt werden. In diesem Fall hatten sich wohl nur einige Beteiligte bereichert.
Am 7. Juni schließlich fanden die Amerikaner – das Versteck wurde vermutlich von einem der beteiligten deutschen Offiziere verraten – einen Großteil des Goldes.
Bei genauerer Recherche wird schnell klar, dass es bei dieser Sache zu viele offene Fragen gibt. So mutmaßte Reinhold Ostler in einem Dossier über das Nazigold, dass den Amerikanern das gefundene Gold praktisch auf dem Präsentierteller überreicht worden war. Zunächst wurde das Gold von Maultieren in das Versteck gebracht. Darunter befand sich auch ein seltenes weißes Maultier, welches die Einheimischen – die übrigens nicht wie bei anderen ähnlichen Operationen evakuiert oder zumindest mit einer Ausgangssperre belegt worden waren – weithin gut sehen konnten. Angeblich führten sogar die Kothaufen der Tiere direkt zum Versteck, welches auch nicht durch etwaige Sprengfallen gesichert war. Trotzdem beschreibt Oberst Franz Pfeiffer in seinem Tagebuch ausführlich, mit welch raffinierten Sprengfallen die Depots gesichert wurden. Wurde also den Amerikanern nur ein Teil des Goldes als Köder ausgelegt, um den Rest zu schützen?

Es ist nämlich auch bekannt, dass ein viel größerer Teil Gold transportiert wurde, als in den offiziellen Listen angegeben wurde. Andererseits sind auch mir bei meiner Recherche einige unlogische Theorien untergekommen. In manchen Quellen ist von Goldmengen die Rede, bei denen die Maultiere eine Last von etwa 1500 kg auf Ihren Rücken zu tragen gehabt hätten. Bekannt ist, dass Maultiere etwa 180 kg tragen können und wiederum nirgendwo gibt es Berichte, dass die Tiere den Marsch in die Berge 7-9 mal vollzogen hätten. An anderer Stelle beschreibt Oberst Pfeiffer, wie die Depots nicht nur mit Sprengfallen gesichert, sondern auch mit Gummimatten gegen Metalldetektoren geschützt wurden. Da frage ich mich natürlich, wieso Schatzsucher mit Detektoren nach den Depots suchen wollen. Dieses Spiel ließe sich endlos fortsetzen. Denn immer, wenn irgend etwas an der Sache klar zu sein schien, passierte etwas, was vorherige Vermutungen auf den Kopf stellte.
So tauchten im Mai 1997 in der Bank von England zwei Goldbarren aus dem Nazischatz auf.
Niemand konnte sich erklären, wie sie dahin gekommen waren. Im Jahr 2000 schließlich fand ein Sondensucher einen Goldbarren auf dem „Steinriegel“. Jenem Gebiet also, in das die Maultierkaravane 1945 gezogen war.
Wie viel Gold liegt da also noch so rum?
Im Herbst 2008 entdeckten die Heimatforscher Jürgen Proske und Andreas Kaiser aus Garmisch Partenkirchen ein Versteck mit besten Moselweinen (der Bernkastler „Riesling der Verbringer“ von 1940). Das beweist zum einen, dass die Nazigrößen nicht nur ausgewiesene Feinschmecker waren, sondern tatsächlich Depots existieren, die nirgendwo schriftlich Erwähnung finden. Nicht weit davon fanden die Heimatforscher übrigens ein geleertes Devisendepot.

Szenenwechsel: Einer der letzten schönen Septembertage. Ich sitze im Hinterhof eines kleinen Einfamilienhauses aus den 60er Jahren in Finning am Ammersee. Vor mir sitzt Cornelia Ostler, eine blonde, junge Frau. Mit Ihren manikürten Nägeln und den nach hinten gebundenen Haaren will Sie sogar nicht in das Klischeebild eines Schatzsuchers passen.
Sie hat eine dickgefüllte Dokumentenmappe vor sich ausgebreitet. Auf Ihrem Laptop befinden sich Satellitenbilder rund um den Walchensee. An der Wand hinter ihr lehnt ein High Tech Metalldetektor. Auf den Karten vor ihr hat sie sich Notizen und kleine Zeichnungen gemacht. Sie zeigt mir Kopien von Akten und Urkunden aus dem 2. Weltkrieg, unter anderem eine Liste des Edelmetallbestandes der Deutschen Reichsbank.
Wie sie dazu kam? Ihr Vater war Deutschlands bekanntester Schatzsucher: Reinhold Ostler. Der Mann, der mit seinem „Handbuch für Schatzsucher“ tausende Leser begeisterte und eine Armada an Hobbyschatzsuchern zu neuen Taten inspirierte. Einer der wenigen, der als hauptberufliche Tätigkeit „Schatzsucher“ angeben konnte. Ob als Autor zahlreicher Fachbücher rund um verschollene Schätze oder als Expeditionsleiter in die entlegensten Gefilde. Nicht immer waren seine Expeditionen von Erfolg gekrönt. So verschlang die Expedition zur berühmten Pirateninsel „Isla del Coco“ vor Costa Rica 100.000 € ohne nennenswerte Resultate. Aber auch in der Heimat kann man ja erfolgreich sein und so fand er das Schwert des Kurfürsten Maximilian bei Mühldorf am Inn.
Auch er war Zeit seines Lebens hinter den ganz großen Geheimnissen der Geschichte her. Das Bernsteinzimmer und eben das Nazigold ließen ihn bis zu seinem frühen Tod im Jahr 2010 nicht mehr los. Bereits mit 8 Jahren begleitete Cornelia Ostler ihren Vater das erste mal zu einer kleinen Expedition auf den „Steinriegel“. Nach dem Tod ihres Vaters bekam sie bereits einen Tag später Kaufangebote für das Archiv, was er über Jahrzehnte hin angesammelt hatte. Vollgestopft mit alten Karten, Briefen und Dokumenten. Zweimal bereits versuchten Einbrecher in das Archiv einzudringen.

Aber Cornelia Ostler hat das Erbe ihres Vaters angetreten.

Über 50 mal ist sie zum „Steinriegel“ gereist. Immer und immer wieder arbeitet sie sich durch die Unterlagen Ihres Vaters. Wenn Sie mit Ihrem Detektor durch die Wälder streift ist sie wieder eins mit ihm, spürt sie die Passion und jedes mal aufs neue die Aufregung, wenn dieses markante Summen ertönt. Und jedesmal könnte es dieses ganz große Ding in ihrem Leben sein. Im Endeffekt ist es müßig sich den Kopf zu zerbrechen, ob das Nazigold noch da oben liegt. Ob die wildesten Theorien glaubwürdig sind oder eben nicht. Seit 4 Jahren sucht sie jetzt schon danach.
Wahrscheinlich ist der Erfolg Ausschlaggebend dafür, ob man als Spinner oder Genie angesehen wird.
Aber Cornelia Ostler ist sich sicher, dass sie das Gold finden wird. Und Cornelia Ostler hat noch verdammt viel Zeit als Genie Geschichte zu schreiben – schließlich ist sie erst 26 Jahre alt.
 Tobias Vetter

 

Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz
Matthäus 6,21